Bernhard und Jeanette Hirschmann

Bernhard Hirschmann, geb. 18.5.1868 in Ansbach, emigrierte im März 1939 in die Schweiz, verstorben am 7.6.1944 in Zürich.

Jeannette Antonie Hirschmann, geb. Hermann, geb. 6.4.1878 in Berlin, emigrierte im März 1939 in die Schweiz, März 1947 in die USA, verstorben am 11.11.1954 in New York.

Adresse in Werder:  Potsdamer Straße 102–103

 

Bernhard Hirschmann gründete zusammen mit seinem Bruder Siegfried um 1890 in Berlin eine Firma, aus der 1906 die » Deutsche Kabelwerke AG« hervorging, eine der bedeutendsten Firmen dieser Branche. Hirschmann wurde ihr »Leitender Direktor« mit einem hohen Jahresgehalt und Gewinnbeteiligung. 1901 heiratet er Jeanette Antonie Hermann, aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, Anna Marie und Leonore, geboren 1905 bzw. 1911. Bereits im Mai 1916 erwarb Bernhard Hirschmann ein Grundstück und Wohnhaus in Werder in der Potsdamer Straße 102/103. In den folgenden Jahren erweiterte und renovierte er das Wohnhaus, ließ ein Gärtnerwohnhaus, ein Gewächshaus und eine Garage bauen, übrigens nahezu ausschließlich durch ortsansässige Firmen. Seitdem lebte er mit seiner Familie regelmäßig in Werder und Berlin. 1935 schied er zusammen mit seinem Bruder aus der Firma aus – es bleibt unsicher, ob freiwillig – und vereinbarte für sich eine Pensionsregelung auf Grund derer er bis 1940 auch Bezüge erhielt.

Auch das Haus der Hirschmanns in Werder wurde in der Pogromnacht im November 1938 verwüstet, eine Schadensliste ist überliefert. Nur einige Wochen später besichtigt Werders Bürgermeister Mertes zusammen mit seinem Stadtbauinspektor das Haus; er interessiert sich für das Wassergrundstück und die Villa am Havelufer als Dienstwohnung. Aus den umfangreich erhaltenen Familienpapieren der Hirschmanns läßt sich erschließen, dass die Familie noch 1938 nicht die Absicht hatte, Deutschland zu verlassen. Hirschmann gibt noch Reparaturen am Haus in Auftrag, lässt sein Motorboot überholen und dergleichen mehr. Erst die Ereignisse des Novemberpogroms müssen die Familie veranlasst haben, Deutschland zu verlassen.

Am 2. März 1939 emigrierten die Hirschmanns – unter Mitnahme von zehn Reichsmark pro Person – in die Schweiz, wo sie offensichtlich eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten, weil ihre Tochter Leonore dort verheiratet war. Ihr inländisches Vermögen wurde, wie auch die Pensionsansprüche, beschlagnahmt, das Haus in Werder ging im Dezember 1941 in den Besitz des Deutschen Reiches über. Allerdings gelang es, Teile des Mobiliars und persönlichen Besitz als Umzugsgut mitzunehmen. Im Juli 1940 wurden Bernhard und Antonie Hirschmann förmlich ausgebürgert und galten seitdem als »staatenlos«. In der Schweiz lebten sie von der Unterstützung durch ihre Tochter und den Schwiegersohn. Bernhard Hirschmann verstarb am 7. Juni 1944 im Alter von 76 Jahren in Zürich. Er erlebte, wie seine Frau später an einen befreundeten Anwalt nach Berlin schreibt, somit »das heißersehnte Kriegsende« nicht mehr.

Haus und Grundstück in Werder wurden während des Krieges und darüber hinaus von dem Gärtnerehepaar der Hirschmanns, Kurt und Liesbeth Pfeiffer, betreut. Pfeiffer ist es auch, der nach der Emigration in Hirschmanns Auftrag das Mobiliar der Villa verkauft.

Antonie Hirschmann wanderte im März 1947 von der Schweiz in die USA aus, lebte seitdem in New York und erhielt am 5. Mai 1953 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Mit Hilfe mehrerer Anwälte führte sie eine langwierige Auseinandersetzung mit deutschen Instanzen, um für den Verlust des umfangreichen Familienbesitzes entschädigt zu werden, was allerdings nur teilweise gelang. Nach ihrem Tod führen ihre Töchter diese Auseinandersetzung weiter. Jedoch erhielten sie Grundstück und Haus in Werder, wie auch alle anderen Betroffenen, während der Zeit der DDR nicht zurück. Zwar korrespondiert ihr Berliner Anwalt mit seinem Werderaner Kollegen Ulrich Frohmann, der auch ausführlich antwortet, es aber im wesentlichen bei dem Hinweis belassen muß, dass »das Vermögen des Reiches und des Landes Preussen […] auf das spätere Land Brandenburg übergegangen«, ein Wiedergutmachungsgesetz für widerrechtlich enteignetes Vermögen aber noch nicht erlassen sei. Ein derartiges Gesetz wurde erst im Jahr 1990 von der ersten frei gewählten DDR–Regierung in die Wege geleitet.

Quellen: BLHA: Rep. 36 A II), Karteikarte, Rep. A I LW Reg. Potsdam, Abt. I Land– und Wasserwirtschaft, Nr. 173: Jüdische Grundstücke, GB Werder Bd. 9, Bl. 664 und Bl. 665; PAAA: Ausbürgerungsakte Hirschmann, Bll. 160–162; LBI: Bernhard and Antonie Hirschmann Family Collection (AR 25180); BEG–Akte Nr. 68.351; SAW: Schadensliste vom 28. 1. 1939, Bauakte; Adressbücher von Berlin und Werder 1925ff.