Familie Kempner

 

Paul Kempner, geb. 30.12.1889 in Berlin, verheiratet mit Margarethe Kempner, 1938 nach Großbritannien, August 1938 in die USA emigriert, verstorben am 12.4.1956 in New York.

Margarethe Kempner, geb. v. Mendelssohn, geb. 9.6.1894 in (Berlin–) Charlottenburg, verheiratet mit Paul Kempner, 1938 nach Großbritannien, August 1939 in die USA emigriert, verstorben 1961 in New Jersey.

Martha Kempner, verh. Camfield, geb. 12.8.1919 in (Berlin–) Charlottenburg, Tochter von Paul und Margarethe Kempner, 1938 nach Großbritannien emigriert, verstorben am 4.7.2010 in Ottawa, Kanada.

Friedrich Kempner, geb. 2.4.1921 in Amsterdam, Sohn von Paul und Margarethe Kempner, 1938 nach Großbritannien, August 1939 in die USA emigriert, verstorben am 7.1.2013 in Woolwich, Maine, USA.

Franziska Kempner, verh. Morris, geb. 13.7.1923 in Berlin–Charlottenburg, Tochter von Paul und Margarethe Kempner, 1938 nach Großbritannien, August 1939 in die USA emigriert, lebt in Ithaca, New York, USA.

Maximilian Kempner, geb. 26.2.1929 in Berlin–Charlottenburg, Sohn von Paul und Margarethe Kempner 1938 nach Großbritannien, August 1939 in die USA emigriert, war von 1991 bis 1996 Dekan der Law School in Vermont, USA, lebt in Vermont.

Friedrich Kempner, geb. 20.7.1892 in Berlin, Bruder von Paul Kempner, emigrierte 1938 über England in die USA, ab 1939 Liechtensteiner Staatsangehörigkeit, verstorben am 9.7.1981 in New York, USA.

Barbara Kempner, geb. Hildebrand, geb. 23.1.1903 in Basel, verheiratet mit Friedrich Kempner, dem Bruder von Paul Kempner, emigrierte 1938 über England in die USA, verstorben am 11.3.1997 in New York, USA.

Adresse in Werder:  Kesselgrundstraße 35–40

 

Paul Kempner war der Sohn des Justizrates Dr. Maximilian  Kempner sen. (1854–1927) und seiner Frau Fanny, geb. Levy (1860–1937), er studierte seit 1908 Rechtswissenschaften in Freiburg i. Br., Heidelberg und Berlin, trat anschließend in den Staatsdienst, aus dem er 1919 als Gerichtsassessor wieder ausschied. Im November 1918 heiratete er Margarethe von Mendelssohn, eine Tochter des Bankiers Franz von Mendelssohn und trat 1919 in das Bankhaus seines Schwiegervaters Mendelssohn & Co. ein, dessen Teilhaber er 1922 wurde. In diesem Jahr reichte er auch an der Universität Halle seine Dissertation zum Thema »Beiträge zum Rechte der Gemischten Schiedsgerichtshöfe: auf Grund des Teils X des Versailler Vertrages« ein, die als eine der besten deutschlandweit angesehen wurde. 1924 wurde er Honorargeneralkonsul der Republik Österreich in Berlin, war Vorstandsmitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), deutsches Mitglied im Finanzkomitee des Völkerbundes, Mitglied des Ausschusses des Zentralverbandes des Bank– und Bankiersgewerbes und Vorstandsmitglied des Deutschen Kalisyndikats.

Nach 1933 blieben die Kempners und die Mendelssohn–Bank zunächst noch von den schlimmsten Repressalien des neuen Regimes verschont. Mit dem sog. »Anschluss« Österreichs 1938 verlor Paul Kempner aber sein Amt als Generalkonsul, und am 5. Dezember 1938 mußte er auch aus der Bank Mendelssohn & Co. ausscheiden, die kurz darauf in Liquidation ging. Das aktive Bankgeschäft der Mendelssohn–Bank wurde von der Deutschen Bank übernommen. 1938 emigrierte die Familie Kempner zunächst nach England, im August 1939 nach New York, mit Ausnahme von Martha Kempner, die in England blieb.

Die Ausreisebedingungen waren gemessen an denen der meisten anderen Flüchtlinge noch einigermaßen günstig zu nennen. Da Paul Kempner von der Reichsbank bescheinigt wurde, sehr hilfreich bei den Verhandlungen über den Transfer ausländischer Kredite zur Deutschen Bank mitgewirkt zu haben, durfte er persönliche Einrichtungsgegenstände und 50.000 RM ausführen. Der größere Teil des persönlichen Vermögens war freilich zuvor als » Reichsfluchtsteuer« und » Judenabgabe« an das Deutsche Reich gefallen. Im Juli 1941 wurden die Kempners auch formal ausgebürgert. Bei der Begründung für die Ausbürgerung gab sich die Gestapo, wie in zahlreichen anderen Fällen auch, keine sonderliche Mühe, sie führte lediglich an: »Der Jude Kempner war Mitglied des deutschfeindlich eingestellten ehemaligen österreichischen Hilfsvereins in Berlin […]«. Im Zuge des Ausbürgerungsverfahrens waren »etwa 100.000 RM, zwei Wohngrundstücke in Berlin und eine Wohnungseinrichtung sichergestellt« worden. Die Ausbürgerung war auch auf die Familienangehörigen zu »erstrecken«. Dabei gab es allerdings Schwierigkeiten bei der Enteignung der Kinder, weil Martha Kempner inzwischen mit dem britischen Regierungsbeamten Donald Camfield verheiratet war und dadurch die englische Staatsbürgerschaft erworben hatte. Es entspann sich um die dadurch problematisch gewordene Enteignung eine aufwendige bürokratische Auseinandersetzung zwischen Reichssicherheitshauptamt, Finanzamt Moabit–West und dem Auswärtigen Amt, die sich in den Ausbürgerungsakten spiegelt.

Im Bankgeschäft wurde Paul Kempner nicht wieder tätig, weder in den  USA noch nach dem Krieg in Deutschland, vielmehr gründete er zusammen mit zwei anderen Emigranten eine Firma in Rahway/New Jersey, die Isolationsmaterial für Kabel produzierte.

1925/26 hatte sich Paul Kempner von dem bekannten Münchner Architekten Carl Sattler (1877–1966) in Werder in exponierter Lage auf einem 4,2 ha großen Grundstück in der Kesselgrundstraße 35–40 ein luxuriöses Landhaus mit 35 Zimmern bauen lassen. Besitzer waren ursprünglich Paul und Friedrich Kempner gemeinsam, 1935 wurde die Villa jedoch auf Friedrich Kempner als alleinigen Besitzer überschrieben. Nach der Emigration der Familie fiel sie 1942 nach Enteignung an das Deutsche Reich. Diese Enteignung mußte aber rückgängig gemacht werden, als sie sich als unzulässig herausstellte, weil Friedrich Kempner die Liechtensteiner Staatsangehörigkeit besaß. So trat der seltene Fall ein, dass ein zunächst enteigneter Besitzer noch während der NS–Herrschaft im August 1944 wieder in das Grundbuch eingetragen wurde. Das hinderte das NS–Regime aber nicht, die Villa faktisch in Beschlag zu nehmen. Dort wurden Wehrmachtshelferinnen einquartiert. Enteignet wurde Friedrich Kempner erst wieder zu Zeiten der DDR, als 1961 die Villa als »Eigentum des Volkes, Rechtsträger Rat der Stadt Werder« in das Grundbuch eingetragen wird. Bereits 1947 hatte der FDGB seinen Besitzanspruch auf die Villa geltend gemacht, der jedoch im Grundbuch keinen Eintrag nach sich zog. Nach den verschiedenen Nutzungen während des Krieges und in der DDR, verfiel das Haus nach 1990 zusehends, wurde aber seit 2007 aufwendig saniert und sollte 2012 als Hotel » Villa Kempner« eröffnen; stand aber inzwischen [2013/14] wieder zum Verkauf.

Quellen: BLHA: GB Werder, Bd. 20, Bl. 1220; PAAA: R 99918, Bll. 108–132 (Ausbürgerungsakte); W. Röder – H. A. Strauss (Hgg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration, Bd. 1, S. 360; Julius H. Schoeps, Das Erbe der Mendelssohns, Biographie einer Familie, Frankfurt/M. 2009; ders., Das Ende von Mendelssohn & Co., in: Kristina Hübener u. a. (Hgg.), Bankgeschäfte an Havel und Spree. Geschichte, Traditionen, Perspektiven, Potsdam 2000, S. 69–85; Thomas Lackmann, Das Glück der Mendelssohns. Geschichte einer deutschen Familie, Berlin 2005; Christopher Kopper, Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus. Bankenpolitik im »Dritten Reich« 1933–1939, Bonn 1995, S. 273ff.; Fritz Kempner, Looking Back, Privatdruck 2006; www.panwitz.net/person/ kempner/ paul.htm (9.11.2012); M. Buchinger – M. Cante, Denkmale in Brandenburg, Landkreis Potsdam-Mittelmark, Teil 1: Nördliche Zauche, 2009, S. 608f.; Mitteilungen von Maximilan Kempner (August 2016).