Projektwoche in der Oberstufe an der Freien Waldorfschule Werder/Havel Juli 2017

Wir, eine kleine Gruppe von SchülerInnen und eine Lehrerin, haben uns, inspiriert durch

das Werk „Jüdische Schicksale in Werder“ im Juli 2017 daran gemacht uns diesem Teil

der Geschichte Werders zu nähern. Im Fokus standen dabei einige aus dem Buch aus-

gewählte Biographien, von denen wir lasen, deren ehemalige Wohnstätten wir aber auch

besuchten und denen wir in den Archiven nachzuspüren versuchten. Zunächst einmal ging

es darum die NS-Geschichte im Allgemeinen und die Verfolgungs- und Deportations-

geschichte in Gesamtdeutschland wieder in Erinnerung zu bringen. Derweil lasen wir von

den Einzelschicksalen von Familien aus Werder, ihre unterschiedlichen Schicksale, die

Übergriffe auf sie in Werder. Originale Dokumente konnten wir im Stadtarchiv Werder

einsehen sowie im Landesarchiv Brandenburg – so konnten wir das Arbeiten von Histori-

kerInnen erleben und vor allem den verstörenden Unterschied zwischen bürokratischer

Sprache und Formalitäten, welche aber die Grausamkeit und Perfidie dessen, was sie für

jüdische Menschen bedeuteten, nur wenig verstecken können. Wir erstellten zudem eine

analoge Karte, in der wir alle jüdischen Menschen eintrugen, welche im Buch dokumentiert

sind, um ein Bild vom Ausmaß der Verfolgung zu bekommen. Wir erlebten aber auch

leichtere Momente, in denen wir das Pessach-Fest feiern durften oder israelisch gekocht

haben. Zudem hatten wir nicht nur das enorme Glück eine geduldige Mentorin in allen

Fragen zum jüdischen Leben zu haben, sondern auch Prof. Hartmut Röhn besuchte uns in

der Schule und gewährte uns Einblicke in die Arbeit an dem Buch, sowie Unterstützung im

Zugang zu den Archiven.

Nach dieser Projektwoche hatten die Stolpersteine, die wir zwar alle bereits einmal wahr-

genommen hatten, eine viel konkretere Bedeutung – waren verbunden mit Bildern und

Anteilnahme. Und vor allem die große Villa der Familie Fleck, die viele von uns jeden Tag

auf dem Weg zur Schule sehen, ruft in uns immer wieder die Erinnerung wach, nach dem

was war und nie wieder sein sollte.

Dominique Krüger

 

Jüdische Schicksale in Werder

Zusammengestellt im Zuge einer Projektwoche (vom 10.-14. Juli 1917) zu jüdischen Schicksalen in Werder durch SchülerInnen der Freien Waldorfschule Werder/Havel.

Die biographischen Informationen am Anfang jeden Artikels und die Quellennachweise wurden unverändert übernommen aus: Hartmut Röhn (Hg.), Jüdische Schicksale. Ein Gedenkbuch für die Stadt Werder (Havel) und ihre Ortsteile, Berlin 2016.

 

Familie Cohn

Arthur Cohn, geb. 7. 12. 1881 in Berlin, emigrierte im August 1938 in die Schweiz, verstorben am 2. 3. 1957 in Lausanne.

Gertrud Cohn, geb. Fuchs, geb. 23. 6. 1875 in Fraustadt / Provinz Posen, verw. Borinsky, emigrierte im August 1938 in die Schweiz, verstorben am 19. 4. 1962 in Lausanne.

Adresse in Werder: Puschkinstraße 15

Arthur Cohn, welcher Rechtswissenschaft an der Berliner Universität studierte und 1908 die große juristische Staatsprüfung absolvierte, ließ im Jahre 1925, zusammen mit Richard Gelhar, ein Haus in der Eduard-Lehmann-Straße (heute: Puschkinstraße 15) errichten. Im August 1938 emigrierte das Ehepaar Cohn, ihrer Tochter Marianne Edith (*18.2.1918) folgend, in die Schweiz. In der Schweiz durfte Arthur Cohn seinen Beruf nicht weiter ausüben, da dies fremden StaatsbürgerInnen untersagt war. Im Jahre 1940 wurde dem Ehepaar dann die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen und ihr gesamtes Vermögen verfiel an den deutschen Staat.

Quellen: BLHA: Rep. 36 A, D 1305, G 540, Rep. 36 A (II), Nr. 5929 (2 Bde.), GB Werder Bd.72, Bl. 2911; BEG–Akte Nr. 51.253; SAW: Bauakte Puschkinstraße 15/16, 1925–29; Ingrid Dietloff [recte: Diedloff] Erinnerungen an die Pogromnacht 9. November 1938 (I) in: Blütenstadt Werder (Havel), Heimatgeschichtliche Beiträge 2010, S.50; Simone Ladwig–Winters, Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, Berlin 1998, S. 112.

 

Familie Gelhar

Richard Gelhar, geb. 23.5.1883 in Strelno, Provinz Posen (heute Strzelno, PL), seit März 1942 illegal in Berlin, 1945–1947 in Berlin, September 1947 in die USA ausgewandert, verstorben am 8.6.1962 in Los Angeles.

Elsa Gelhar, geb. Salinger, geb. 14.7.1884 in Gumbinnen, Ostpreußen (heute Gussew, Oblast Kaliningrad), seit März 1942 illegal in Berlin, 1945–1947 in Berlin, September 1947 in die USA ausgewandert, verstorben am 8.12.1959 in Boston.

Luz Gustav Joachim Gelhar, geb. 19.1.1923 in Berlin, im August 1939 nach Palästina ausgewandert, im Oktober 1951 in die USA, 1957 amerikanische Staatsbürgerschaft, verstorben am 25.3.2000 in Palm Beach/ Florida USA.

Adresse in Werder: Puschkinstraße 16.

Richard Gelhar, welcher vor dem ersten Weltkrieg eine Fabrik in Berlin-Charlottenburg besessen hatte, ließ 1925 zusammen mit Arthur Cohn ein Haus in der Puschkinstraße errichten. Dieses nutzte die Familie Gelhar als Wochenenddomizil. Beim Novemberpogrom im Jahre 1938 wurde ihr Haus überfallen und die Einrichtung mit Äxten zerschlagen. Die Familie floh in dieser Nacht mit dem Boot auf den Glindower See. Das Haus wurde bald darauf verkauft und zwei andere Grundstücke, welche die Familie ebenfalls besaß, mussten abgegeben werden. 1941 wurde das Ehepaar gezwungen in ein „Judenhaus“ zu ziehen. Nachdem sie die Formulare für die Vermögenserklärung erhielten, welche die baldige Deportation ankündigten, tauchten die Gelhars in die Illegalität ab. Richard und Elsa überlebten den Krieg, genauso wie ihr Sohn Luz Gustavo Gelhar, welcher 1939 nach Palästina ausgewandert war und von dort aus weiter in die Vereinigten Staaten zog.

Quellen: BArch: Ergänzungskarte VZ 1939; BLHA: Rep.36 A (II), Nr. 11045, Nr. 56000, GB Werder Bd. 55, Bl. 2486, GB Werder Bd.72, Bl. 2912; BEG–Akten Nrr. 251.150, 55.647, 58.618, 57.641, 379.890; SAW: Bauakte Puschkinstraße 15/16, 1925–1929 und 1939–1941; Schadensaufnahme zum Novemberpogrom 1938; GDW: Mitteilung Beate Kosmala v. 25. 11. 2013; »Der Weg«, Nr. 20 v. 12.7.1946; Ingrid Dietloff [recte: Diedloff], Erinnerungen an die Pogromnacht 9. November 1938 (1), in: Blütenstadt Werder (Havel) – Heimatgeschichtliche Beiträge 2010, S. 50.

 

Familie Guttmann

Alfred Guttmann, geb. 30.7.1873 in Posen (heute Poznań, PL), seit 1920 in Werder ansässig, emigrierte im Mai 1939 nach Norwegen, 1946 norwegischer Staatsbürger, verstorben am 21.12.1951 in Ålesund, Norwegen.

Eva Guttmann, geb. Alschewsky, geb. 30.10.1897 in Storkow/Mark, emigrierte im Mai 1939 nach Norwegen, verstorben 1985 in Sykkylven, Norwegen.

Adresse in Werder: Am Mühlenberg 24.

Alfred Guttmann (*30.7.1873) studierte nach dem Abitur Medizin und Gesang. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich freiwillig als Seuchenarzt und arbeitete dort mehrere Jahre im Lazarett. 1920 erwarb er ein Haus in Werder am Mühlenberg 204 (heute: 24). Seit 1909 war er häufig nach Norwegen gereist und hatte sich 1927 in Brettesnes auf den Lofoten ein Haus gebaut. In den dreißiger Jahren wohnten Alfred und Eva Guttmann (*30.10.1897) dauerhaft in Werder. Im Herbst 1938 wurden im Hause Guttmann mehrere Fensterscheiben in der Nacht eingeschlagen. Einige Wochen später drangen 15 bis 20 bewaffnete Männer in das Haus ein und bedrohten das Ehepaar Guttmann. Am 1.11.1938 wurde Alfred Guttmann verhaftet und nach Potsdam gebracht, jedoch unter der Zusicherung auswandern zu wollen, wieder frei gelassen. Im Februar 1939 erhielten die Guttmanns die Einreiseerlaubnis nach Norwegen. Da ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt wurde, mussten sie gleich nach der Ankunft ihre Armbanduhren verkaufen. In Norwegen zogen die Guttmanns in ihr Haus auf die Lofoten. Nach der deutschen Besatzung Norwegens 1940 wurden die Guttmanns jedoch auch hier verfolgt. 1941 wurden sie in ihrem Haus auf den Lofoten überfallen und ins Konzentrationslager Grini bei Oslo gebracht. Das Ehepaar konnte das Konzentrationslager zwar verlassen und kurzzeitig nach Brettesnes zurückkehren, doch kurz darauf wurden sie in die Finnmark verbannt, wo sie unter primitivsten Bedingungen hausen mussten. Von hier aus sollte Alfred Guttmann erneut deportiert und nach Deutschland geschickt werden, was ein Freund aber verhindern konnte. Nach dem Rückzug der deutschen Truppen 1944 gelangte das Ehepaar wieder zurück in ihr inzwischen komplett zerstörtes Haus. 1946 erhielt Alfred Guttmann die norwegische Staatsbürgerschaft. Alfred Guttmann verstarb 1951 in Ålesund. Eva Guttmann verstarb 1985 in Sykkylven, Norwegen.

Quellen: BLHA: Rep. 36 A (II), 3 Akten der Vermögensverwertungsstelle des OFP (nicht zugänglich), Rep. 36 A (II), F 622 (Devisenstelle); PAAA: R 99889, Bll. 4, 80–82 (Ausbürgerungsakte Alfred Guttmann); NLA: Rep. Nds. 110 W Acc. 8/90 Nr. 205/11 und 205/12; NRA: Justisdepartementet (Akten betr. Alfred Guttmann); UAHU: Med. Fak. 715 (Promotionsakte Guttmann); Deutsche Nationalbibliothek – Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Frankfurt/M., Teilnachlaß Walter A. Berendsohn (EB 54b/7); Art.: Alfred Guttmann, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 4 (1996), S. 274; Art.: Alfred Guttmann, in: H. A. Strauss – W. Röder (Hgg.), International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, Vol. II, A–K, München usw. 1983, S. 441; Fritz Elsas, Ein Demokrat im Widerstand, hg. von Manfred Schmid, Gerlingen 1999, S. 164ff.; Einhart Lorenz, Exil in Norwegen. Lebensbedingungen und Arbeit deutschsprachiger Flüchtlinge 1933–1943, mit einem Vorwort von Willy Brandt, Baden–Baden 1992; Matthias Eberle, Max Liebermann 1847–1935. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien, Bd. II 1900–1935, München 1996, S. 1188; Christiane Schuchard, Wannsee–Villen der Gründerzeit […}, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jb. des Landesarchivs Berlin 1990, S. 117–134; Oskar Mendelsohn, Jødenes historie i Norge gjennom 300 år, 2 Bde., Oslo–Bergen–Tromsø 1969; Børre R. Giertsen (Hg.), Norsk fangeleksikon: Grinifangene, Oslo 1946; Christian Morgenstern, Werke und Briefe Bd. 1 ff. Stuttgart 1988ff.; Håkon Brun, Hvem var dr. Guttmann?, in: Skolp: Årsskrift for Vågan historielag, Bd. 11 (1986), S. 82–85.; Sverre Andestad, Sykkylven. Nye slekter, Sykkylven 1996, S. 21 (zu Eva Guttmann); Hartmut Röhn, Alfred Guttmann. Ein deutsches Schicksal zwischen Werder und Norwegen, in: Blütenstadt Werder (Havel) – Heimatgeschichtliche Beiträge 2014, S. 26–32.

 

Familie Jacob

Max Jacob, geb. 21.11.1876 in Preußisch Holland / Ostpr. (heute Pasłęk, PL), seit 1909/10 in Werder ansässig, deportiert am 14.4.1942 in das Getto von Warschau, von dort im Juli 1942 nach Treblinka, dort ermordet.

Elsbeth (auch: Else) Jacob, geb. Cohn, geb. 30.6.1882 in Berlin, verstorben am 13.9.1941 im Jüdischen Krankenhaus Berlin, beerdigt auf dem Jüdischen Friedhof Berlin–Weißensee.

Käte Jacob, geb. 5.5.1909 in Jüterbog, deportiert am 12.1.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.

Hans Jacob, geb. 10.10.1910 in Werder, genaues Schicksal ungeklärt. Eine seit September 1939 betriebene Auswanderung nach Palästina ist gescheitert; Hans Jacob hat nicht überlebt.

Kurt Jacob, geb. 15.1.1912 in Werder, deportiert am 4.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.

Frieda Jacob, geb. Grüneberg, geb. 21.10.1919 in Krojanke / Westpreußen, verheiratet mit Kurt Jacob, deportiert am 1.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.

Adresse in Werder: Torstraße 3.

Max Jacob wurde am 21.11.1876 in Preußisch Holland/Ostpreußen geboren. Max heiratete seine erste Frau Paula, welche am 14.3.1881 geboren war. Mit ihr bekam er sein erstes Kind: ein Mädchen namens Käte Jacob (*5.5.1909). Kurz danach zog die (noch) kleine Familie nach Werder. Hier bekamen Max und Paula noch zwei weitere Kinder: Hans (*10.10.1910) und Kurt (15.1.1912). Vor 1918 muss Max seine zweite Frau Else geb. Cohn (*30.6.1886) geheiratet haben. 1926 beschloss Max Jacob, sich ein Haus in der Torstraße 185 (heute Nr. 3) auf der Insel Werder zu kaufen. Er besaß sogar ein eigenes Geschäft, das Kaufhaus Jacob. 1938 wurde dieses im Zuge des Novemberpogroms verwüstet. Danach wurde Max Jacob gezwungen sein Geschäft zu verkaufen. Am 13.9.1941 verstarb seine zweite Frau Else. Danach versuchten seine drei Kinder zu emigrieren. Sie wollten in die USA, Palästina und nach England fliehen. Keiner von ihnen kam jemals an. Am 5.9.1942 wurde die erste Frau von Max, Paula Jacob, nach Riga deportiert und dort ermordet. Auch die Spur von Max verschwimmt langsam. In den Tagen nach dem 9.4.1942 kommt er in ein Sammellager in Berlin, von wo aus er mit dem 13. Osttransport ins Ghetto in Warschau transportiert wird. Das letzte Lebenszeichen von Max Jacob ist ein Schreiben, das er am 25.6.1942 an die Bank für Landwirtschaft, Filiale Werder richtet, wo er ein Konto besaß und um die Auszahlung seiner ihm bewilligten monatlichen Auszahlung von 300 RM in Zlotys bittet, um seinen Lebensunterhalt im Warschauer Ghetto bestreiten zu können. Man vermutet, dass Max Jacob wahrscheinlich Ende Juli 1942 während der Räumung des Ghettos nach Treblinka ins Vernichtungslager transportiert und dort ermordet wurde. Die Kinder von Max, Käte und Kurt Jacob, wurden mit dem 26. und dem 31. Osttransport 1943 nach Ausschwitz deportiert, wo sie wohl sofort ermordet wurden. Was aus Hans wurde, ist bisher unbekannt, aber es ist wohl davon auszugehen, dass er nicht überlebt hat.

Seit Oktober 2014 liegen vor dem Haus Torstraße 3 zwei Stolpersteine für Kurt und Käte Jacob.

Quellen: BArch: Gedenkbuch […], R 1509 Ergänzungskarte VZ 1939; BLHA: Rep. 36 A (II), Sign. F 811, Nrr. 16663, 16692, 16703, Rep. 8 Stadt Werder, Nr. 1002: Gewerbeanträge 1938–1943, Ld. Br. Rep. 250 Landratsamt Zauch–Belzig Nr. 456, GB Werder, Bd. 56, Bl. 2508; Standesamt Werder: Biographische Auskünfte; SAW: Schadensliste vom 15.12.1938, Bauakte Torstr. 185; Gertraud Behrendt, Mit 34 in Auschwitz »verschollen«, in MAZ v. 30.7.1999; Schriftliche Auskunft Wolfgang Weißleder/ Potsdam v. 21.9.2012; Auskunft Jüdischer Friedhof Berlin–Weißensee v. 30.10.2012; A. Gottwaldt – D. Schulle, Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich 1941–1945, S. 193f. bzw. S. 400ff.; D. Czech, Kalendarium […], S. 382 bzw. S. 427; Im Warschauer Ghetto. Das Tagebuch des Adam Czerniaków 1939–1942, München 1986, S. 243; Yisrael Gutman, The Jews of Warsaw, 1939–1943, Ghetto, Underground, Revolt, Bloomington and Indianapolis 1989, S. 214; Frederick Weinstein, Aufzeichnungen aus dem Versteck. Erlebnisse eines polnischen Juden 1939–1946, Berlin 2006, S. 263ff. bzw. S. 480ff.

 

Familie Olschowski

Curt Olschowski, geb. 21.9.1894 in Berlin, 1934–1938/39 in Werder, Anfang 1939 nach Berlin verzogen, 1943–1945 illegal in Berlin, 1945–1971 wieder in Werder, verstorben am 3.9.1971 in Potsdam.

Ruth Olschowski, geb. Holzheim, geb. 11.6.1904 in Deutsch–Krone (heute Wałzc, PL), 1934–1938/39 in Werder, Anfang 1939 nach Berlin verzogen, 1943–1944 illegal in Berlin, deportiert am 12.10.1944 nach Auschwitz, dort ermordet.

Hans–Peter Olschowski, geb. 1.9.1923 in Deutsch–Krone (heute Wałzc, PL), 1934–1938/39 in Werder, Anfang 1939 nach Berlin verzogen, deportiert am 19.4.1943 von Berlin nach Auschwitz, im Januar 1945 deportiert in das KZ Dora–Mittelbau ( Nordhausen/Thür.), dort umgekommen.

Anita Olschowski, geb. 10.02.1926 in Schneidemühl (heute Piła, PL), 1934–1938/39 in Werder, Anfang 1939 nach Berlin verzogen, 1943–1944 illegal in Berlin, deportiert am 12.10.1944 nach Auschwitz, im Dezember 1944 oder Januar 1945 in das KZ Bergen–Belsen; sie hat überlebt, wohnte nach 1945 in Werder und Berlin–Schöneberg, wanderte 1948 nach Israel, 1957 in die USA aus und verstarb am 19.5.2012 in Chicago.

Heinz Olschowski, geb. 17.1.1937 in Werder, lebte bis 1938/39 in Werder, Anfang 1939 nach Berlin verzogen, 1943–1948 illegal in Polen, 1948 Rückkehr nach Werder, verstorben am 23.8.1998 in Plauen/V.

Adresse in Werder: Brandenburger Straße 20.

Curt Olschowski wurde 1984 in Berlin geboren. Im Alter von 20 Jahren musste er im Ersten Weltkrieg fünf Jahre lang bis zum Kriegsende 1919 dienen. 1922 heiratete Curt Olschowski Ruth Holzheim (*11.6.1904). Ein Jahr später wurde Hans-Peter Olschowski geboren. 1926 kam Anita Olschowski zur Welt. 1934 wurde Curt Olschowski von seiner Firma entlassen, da er als „Volljude“ galt und zog mit seiner Familie nach Werder. Dort wohnte er in der Brandenburger Straße 20, wo er in den ehemaligen Geschäftsräumen der Firma Lemer & Lipiner ein Textilgeschäft eröffnete. Der zweite Sohn Heinz Olschowski wurde 1937 in Werder geboren. 1938 veränderte die ganze Familie ihre Vornamen um nicht die verordneten Zusatznamen „Israel“ und „Sara“ annehmen zu müssen. Das Geschäft der Olschowskis wurde im Zuge des Novemberpogroms nach dem 9.11.1938 verwüstet, vermutlich am 11. November. Ein Protokoll über die angerichteten Schäden, wie eingeschlagene Schaufenster und zerrissene Schuhe, hat sich im Stadtarchiv Werder erhalten. Curt Olschowski wurde wie viele andere männliche Juden im November 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, aber kurz darauf wieder freigelassen. Wie viele andere jüdische Menschen auch, suchten die Olschowskis bald in Berlin Schutz und tauchten schließlich in die Illegalität ab. Die Söhne Hans–Peter und Heinz wurden bei einer polnischen Familie in Bredow bei Nauen versteckt. Hans–Peter muss aber bald darauf ergriffen worden sein, denn er wurde am 19.04.1943 mit dem 37. Osttransport aus Berlin nach Auschwitz deportiert, dort jedoch nicht ermordet, sondern bei der Räumung des Lagers im Januar 1945 nach Thüringen deportiert, wo sich seine Spur verliert. Vermutlich ist er dort oder bei der Räumung auch dieses Lagers Ende April auf einem der berüchtigten Todesmärsche ums Leben gekommen. Heinz Olschowski gelangte mit der polnischen Familie aus Bredow 1943 nach Polen, von dort kehrte er erst 1948 nach Werder zurück. Ruth Olschowski kam zunächst bei einer holländischen Familie unter, wurde dann jedoch wie auch die Tochter Anita aufgegriffen und mit dem letzten Ausschwitztransport aus Berlin deportiert. Ruth Olschowski wurde wohl sofort ermordet, die Tochter Anita dagegen wurde Ende 1944/ Anfang 1945 ins KZ Bergen-Belsen transportiert und dort vermutlich durch die Engländer befreit. Nach dem Krieg hat Anita Olschowski noch in Werder und Berlin–Schöneberg gewohnt und ist 1948 zunächst nach Israel und 1957 von dort in die USA ausgewandert. Curt Olschowski überlebte die NS–Herrschaft im Untergrund in Berlin und kehrt 1945 nach Werder zurück. Er kehrte in Werder in seinen alten Beruf als Speditionskaufmann zurück. Zudem wurde er nach dem Krieg zunächst KPD und dann SED-Mitglied. Von 1958 bis 1961 wird Curt Olschowski sogar Bürgermeister von Werder. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bürgermeisters hat Curt Olschowski noch zehn Jahre in Werder gelebt, er verstarb am 3.9.1971 in Potsdam. Er hinterließ seine Frau, die er 1949 in zweiter Ehe geheiratet hatte, und einen Sohn aus dieser Ehe.

Seit Oktober 2014 liegen vor dem Haus Brandenburger Straße 20 zwei Stolpersteine für Ruth und Hans–Peter Olschowski.

Quellen: BArch: Gedenkbuch […]; BLHA: Rep. 2 A I HG Nr. 211, Rep. 36A (II), Nr. 28754, Rep. 203 MdI Nr. PA 154, Ld. Br. Rep. 250 Landratsamt Zauch–Belzig Nr. 456, Bl. 61ff., Rep. 401 VdN Nr. 2970, GA Werder, Bd. 6, Bl. 464; ITS: Auskunft v. 16. 2. 2015; Mitteilung Gedenkstätte Sachsenhausen vom 16. 4. 2010; SAW: Schadensliste v. 28. 1. 1939; BStU: ASt GA Bd. 40, Bll. 10–13 (Aussage Curt Olschowski, 1963); Hartmut Jäckel – Hermann Simon (Hgg.), Berliner Juden 1941. Namen und Schicksale. Das letzte Amtliche Fernsprechbuch der Reichspostdirektion Berlin, Teetz 2007 (Liste jüdischer Vornamen); Dorothee Geßner, Erinnerungen meines Vaters Willi Hanke an seine Zeit in Werder, in: Blütenstadt Werder (Havel) – Heimatgeschichtliche Beiträge 2010, S. 56–63.

 

Familie Salomon

Resi (auch Rosa) Salomon, geb. Schwarz, geb. am 26.4.1891 in Gonsawa (heute Gąsawa, PL), Kr. Znin/Posen, wohnhaft in Glindow, deportiert am 14.4.1942 in das Getto von Warschau, von dort vermutlich Ende Juli 1942 nach Treblinka, dort ermordet.

Hans Siegfried Salomon, geb. am 19.08.1914 in Rickrath–Reusrath, Rheinprovinz, deportiert am 24.6.1942 nach Minsk, dort ermordet.

Lutz Salomon, geb. 29.8.1916 in Immigrath/Langenfeld, Rheinprovinz, emigrierte, vermutlich schon 1936, nach Kapstadt, Südafrika.

Adresse in Glindow: Klaistower Straße 70.

Im Jahre 1924 zog Resi Salomon mit ihren Söhnen aus dem Rheinland nach Glindow. 1938 betrieb sie einen Obsthandel und eine kleine Gärtnerei mit Stauden und Topfgewächsen. Später musste sie ihr Geschäft verkaufen, da sie Jüdin war. Daraufhin arbeitete sie nur noch als Gelegenheitsgärtnerin in ihrem ehemaligen Betrieb. 1936 arbeitete ihr Sohn Hans in einer ehemals jüdischen Spedition. Der zweite Sohn Lutz wanderte bereits 1936, nach der „Arisierung“ des Betriebes, in dem er arbeitete, nach Kapstadt aus.

Offensichtlich war die Deportation von Resi Salomon zusammen mit der ihres Sohnes Hans geplant. Dieser wurde allerdings zurückgestellt, möglicherweise hatte diese Zurückstellung ihren Grund in dem Arbeitsverhältnis von Hans Salomon, die Spedition hatte ihn vermutlich als Arbeitskraft reklamiert. Resi Salomon dagegen wurde am 14.4.1942 mit dem 13. »Osttransport« aus Berlin, demselben Transport wie Max Jacob und Edla Charlotte Rosenthal, in das Warschauer Ghetto deportiert. Der Hausrat von Resi und Hans Salomon wurde am 10. Juli 1942 nach einer Ankündigung im »General-Anzeiger« von Werder versteigert und brachte einen Erlös von RM 358,65 zugunsten des Staates. Die Vermögenserklärung, die Resi Salomon vor ihrer Deportation ausfüllen musste, liegt im Brandenburgischen Landeshauptarchiv und führt ganz genau auf, was sich in ihrem Haus befand. Und auch eine Liste mit den Sachen, die der Sohn Hans behalten durfte. Doch nur zwei Monate nach seiner Mutter wurde er mit dem 16. Osttransport am 24.6.1942 aus Berlin über Königsberg nach Minsk deportiert und ist dort ermordet worden.

Seit Oktober 2014 liegen vor dem Grundstück Klaistower Straße 70 in Glindow zwei Stolpersteine für Resi und Hans Siegfried Salomon.

Quellen: BArch: Gedenkbuch […], R 1509 Ergänzungskarte VZ 1939; BLHA: Rep. 36 A (II), Nr. 5057, GB Glindow, Bd. 15, Bl. 617; NLA: 110 W Acc. 31/99 Nr. 228466; A. Gottwaldt – D. Schulle, Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich 1941–1945, S. 193f. bzw. S. 240f.; A. Reuss – K. Schneider (Hgg.), Berlin – Minsk. Unvergessene Lebensgeschichten, S. 474ff. (Zu Hans S.); Im Warschauer Ghetto. Das Tagebuch des Adam Czerniaków 1939–1942, München 1986, S. 243; Yisrael Gutman, The Jews of Warsaw, 1939–1943, Ghetto, Underground, Revolt, Bloomington and Indianapolis 1989, S. 214; Frederick Weinstein, Aufzeichnungen aus dem Versteck. Erlebnisse eines polnischen Juden 1939–1946, Berlin 2006, S. 263ff. bzw. S. 480ff.